Wer am Flughafen angekommen und auf dem Weg zum Flugzeug ist freut sich auf die bevorstehende Reise, die jetzt beginnt. Mit dem Check-In und der Gepäckaufgabe am Schalter beginnt die Arbeit unserer Kolleg*innen der Bodenverkehrsdienste. Nach der Sicherheitskontrolle geht es dann zum Gate, an dem dann der Einstieg (Boarding) beginnt. Dabei werden neben den Bordkarten auch weitere erforderliche Reisedokumente gecheckt.
Wer dann kurz vor dem Start im Flugzeug sitzt denkt meist nicht an diejenigen, die auf dem Vorfeld gerade daran arbeiten, dass der Flieger starten und sicher an sein Ziel kommen kann: an die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste auf dem Vorfeld. Vermutlich sind einige von ihnen gerade dabei, die letzten Gepäckstücke so im Frachtraum zu verstauen, dass sie nicht verrutschen können. Nur so kann ein Flugzeug ausbalanciert Fliegen. Andere sorgen dafür, dass ausreichend Kerosin an Bord ist. Und das sind nur zwei der Aufgaben, mit denen Bodenverkehrsdienstleister am Boden mit dazu beitragen, dass Fliegen sicher bleibt.
Zahlen, Daten, Fakten
Die Bodenverkehrsdienste (BVD) sind ein zentraler und sicherheitsrelevanter Teilprozess in der Wertschöpfungskette der Luftwirtschaft.
Alltag in den Bodenverkehrsdiensten am Flughafen München
Neben der administrativen Abfertigung/Sicherheit am Boden zählen folgende Tätigkeiten zu den BVD (laut Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen BADV)
Tätigkeiten im Überblick
Fluggastabfertigung
Gepäckabfertigung
Fracht- und Postabfertigung
Vorfelddienste
Reinigungsdienste und Flugzeugservice
Betankungsdienste
Stationswartungsdienste
Transportdienste am Boden
Transportdienste am Boden
Fluggastkontrolle
Catering
Frachtkontrolle
Im Jahre 2013 bezifferte das Statistische Bundesamt die Beschäftigtenzahl Bodenpersonal deutschlandweit auf 30.485 (vgl. ebd. 2015:600ff).
Die Luftverkehrsbranche Deutschlands wächst seit Jahrzehnten.
Alleine in den Jahren von 2006 bis 2019 verzeichneten die deutschen Verkehrsflughäfen einen Anstieg bei den Passagierzahlen um 42 Prozent (von 174 auf über 248 Millionen Passagiere). Die Anzahl der Beschäftigten ist in diesem Zeitraum in etwa konstant geblieben.
Die logische Folge dieses Booms im Luftverkehr ist eine konstante Überlastung der Beschäftigten durch eine immer größer werdende Arbeitsverdichtung und extremen Stress.
Die Folgen der chronischen Überlastung der Beschäftigten werden jetzt im Restart nach rund zwei Jahren der Corona-Pandemie durch extrem lange Wartezeiten an den Flughäfen, Kofferchaos und verpasste oder abgesagte Flüge besonders deutlich. Etwa 20 Prozent der Beschäftigten haben den Luftverkehr verlassen. Viele haben in anderen Branchen mit höheren Löhnen und insgesamt besseren Arbeitsbedingungen neue Arbeit gefunden.
Mehrere tausend Stellen an den Flughäfen können nicht besetzt werden. 20 Jahre Lohndumping rächen sich jetzt. Arbeitsplätze im Luftverkehr müssen attraktiver werden, um in Zukunft wieder ein möglichst reibungsloses und sicheres Fliegen ermöglichen zu können.
Seit Jahrzehnten haben sich die Arbeitsbedingungen im BVD Bereich immer mehr verschlechtert. Gegenüber den früheren Tarifregelungen gab es erhebliche Einkommensverluste von bis zu 30%, trotz jahrelang steigender Passagierzahlen und wachsender Gewinne.
Ehemals in staatlicher Hand und integrativer Bestandteil der deutschen Verkehrsflughäfen ist der heutige Markt der Bodenverkehrsdienste (BVD) durch EU Liberalisierung und Deregulierung in weiten Teilen privatisiert (so genannte Dritt-Anbieter) oder wird durch ausgegründete Töchter der nach wie vor mehrheitlich staatlichen Flughäfen abgedeckt. Die Leistungen der BVD müssen laut EU Richtlinie 96/67/EG alle sieben Jahre ausgeschrieben werden. Die Personalkosten liegen in den BVD bei bis zu 75% der Gesamtkosten.
Während die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste einiger Flughäfen noch dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) unterliegen (Beispiel Flughafen Köln-Bonn oder die BVD-Beschäftigten bei der Fraport), werden die Beschäftigten der ausgegründeten Töchter der Flughäfen meist in Haustarifverträgen zu abgesenkten Konditionen beschäftigt (zum Beispiel die Flughafentöchter der Flughäfen Hamburg und Hannover, die Fraport- Tochter FraGround, die Düsseldorfer Flughafentochter FDGHG oder die Münchener Flughafentochter Aeroground). Dort kommt der TVöD nur noch in einer „abgespeckten“ Variante mit vielen Verschlechterungen zur Anwendung.
Die privatwirtschaftlich agierenden BVD-Unternehmen unterliegen in ihrer Mehrzahl ebenfalls Haustarifverträgen. Die Folge dieser fragmentierten Tarifstruktur sind Ungleichgewichte bei den Arbeitskosten (aus Unternehmenssicht) und bei der Einkommens- und Belastungssituation der Beschäftigten (aus Beschäftigtensicht). Der politisch gewollte allein kostenorientierte Wettbewerb führt so zu einer Konkurrenz um die jeweils billigsten Personalkosten.
So liegen die Stundenlöhne bei den Unternehmen oft gerade mal über dem Mindestlohnniveau. Viele Arbeitsverträge sind befristet und auf Teilzeit ausgelegt, damit der Arbeitgeber flexibler agieren kann. Kein Wunder also, dass die Kolleg*innen in den letzten Jahren mit immer mehr Wut im Bauch in die jeweiligen Haus-Tarifverhandlungen gehen. Da die Arbeitgeber höchstens minimale Angebote machen, kommt es zwangsläufig bei den BVD immer wieder zu Warnstreiks und teilweise auch zu mehrtätigen Streiks an verschiedenen Flughäfen. Unsere Kolleg*innen wehren sich gegen immer mehr Belastungen und die miserablen Arbeitsbedingungen.
Wir meinen: Wer mit hohem Einsatz und großer Verantwortung für die Zufriedenheit und Sicherheit von Millionen von Passagieren sorgt, muss hinreichend qualifiziert und durch seine Arbeit sozial gesichert sein. Das gilt für alle Beschäftigten im Luftverkehr gleichermaßen, egal ob als Beschäftigte des Flughafens, einer seiner ausgegliederten Dienstleistungstöchter oder bei privatwirtschaftlichen Dienstleistern.
Unsere ver.di Initiative „Damit Fliegen sicher bleibt“ setzt sich daher für einen allgemeinverbindlichen bundesweiten Branchentarifvertrag für alle Bodenverkehrsdienste ein. Nur einheitliche, verbindliche, verantwortbare Spielregeln für alle Wettbewerber werden dafür sorgen, dass die sicherheits- und qualitätsrelevanten Tätigkeiten dem Preisdruck der Fluggesellschaften entzogen werden. Dadurch werden sowohl eine hohe Qualität der Dienstleistungen, existenzsichernde Gehälter, gemeinsame Qualifikationsstandards und gesundheitserhaltende Arbeitsbedingungen ermöglicht – damit alle beruhigt in den Flieger steigen können.
Die ver.di Initiative „Damit Fliegen sicher bleibt“ setzt sich daher ein für einen allgemeinverbindlichen bundesweiten Tarifvertrag für die gesamte Branche. Nur verbindliche, verantwortbare Spielregeln für alle werden dafür sorgen, dass die sicherheits- und qualitätsrelevanten Tätigkeiten dem Preisdruck der Fluggesellschaften entzogen werden. Dadurch werden sowohl eine hohe Qualität der Dienstleistungen, existenzsichernde Gehälter, gemeinsame Qualifikationsstandards und gesundheitserhaltende Arbeitsbedingungen ermöglicht– damit alle beruhigt in den Flieger steigen können.
Selbstversuch- Galileo Reporter arbeitet als Gepäckabfertiger am Flughafen Frankfurt