ver.di Aktionswoche Gute Arbeit – ohne Druck
Nov 2015, Köln/BonnPersönlicher Bericht zu den Arbeitsbedingungen am Flughafen
Letzte Woche hat ver.di bundesweit an den Flughäfen zur Aktionswoche „Gute Arbeit – ohne Druck“ aufgerufen. Auch in Köln wurde sich daran beteiligt und mit Flugblättern über die teilweise schlimme Arbeitssituation im Bodenverkehrsdienst (BVD) aufgeklärt. Die wird zum Einen bestätigt von der gerade veröffentliche Umfrage unter den BVDlern am Flughafen (https://verdi-airport.de/?p=187), zum Anderen aber auch in persönlichen Berichten geschildert.
Kollegen in Köln stellen das Flugblatt vor
Wir möchten hier einen Bericht, der uns anonym von einem Mitglied erreicht hat, veröffentlichen.
Darin erzählt der Angestellte am Kölner Flughafen von der starken mentalen Belastung durch Arbeitsverdichtung, aber genauso durch den immer stärker werdenden Druck von oben, z.B. durch Überwachungen. Diese Belastung führt für ihn zu depressiven Momenten und durchsetzt damit seinen gesamten Alltag.
„Zur Situation im BVD – speziell am Kölner Flughafen
-über das mentale Befinden –
Obwohl ich Festangestellter am Kölner Flughafen bin und das seit über 20 Jahren, also einen vergleichsweise privilegierten Arbeitsplatz habe, ist die Arbeitssituation miserabel geworden.
Nicht nur, dass man den Eindruck hat, dass es nur schlechter kommen wird, dass sich eigentlich alles im Arbeitsleben zum Schlechteren entwickeln kann. Was für eine fatale Vorstellung.
Das Merkwürdige ist, man hält sich zwar vor Augen wie vergleichsweise gut es einem geht im Vergleich zu den Leiharbeitern beispielsweise, was sozusagen das rationale Element ist;
aber die mentale Situation, also das, was wirklich in einem vorgeht, reicht von schlecht bis katastrophal, oder in anderen Worten gesagt: Man ist abgestumpft, merkwürdig passiv, tritt aber ewig weiter im Hamsterrad seines vermeintlich privilegierten Jobs, weil man eben auch sieht, dass es noch schlechter geht. Der Abstumpfungsgrad von mir und meinen Kollegen ist immens, ohne dass wir uns das eingestehen können und wollen;
wir sind in eine merkwürdige Passivität getreten, oder man kann es auch Unmündigkeit nennen, in die wir im Laufe der letzten Jahre geraten, mehr ein Spielball der Veränderungen, die wir nicht erwartet haben und die nun immer schneller und größer sind.
Ich weiß, dass sind vage Worte es ist aber auch ein schwammiges Gefühl.
Irgendwie gehen die Entwicklungen an einem vorbei, man nimmt das alles nur noch hin.
Wir haben einen Großteil unserer Kampfbereitschaft verloren, was womöglich daran liegt, dass wir den „Burgfrieden“ mit unserer Geschäftsführung eingehen, um unsere vermeintlichen Privilegien nicht zu riskieren; wir sehen ja, wie es um uns herum in der Privatwirtschaft, in der Arbeitswelt insgesamt vor sich geht; man wundert sich über nichts mehr und ist gleichzeitig so abgestumpft.
Ich weiß nicht wie ich es sonst sagen soll ohne zu pathetische Worte zu gebrauchen: Im Grunde sind wir drauf und dran unsere Würde zu verlieren. Es ist diese Kompromissbereitschaft, da uns ja ohnehin nichts anderes übrig bleibt, die dann aber eben doch von Arbeitgeberseite immer weiter ausgehöhlt wird;
Man kann das auch als erste Anfänge einer Depression bezeichnen, wobei man so was als Schwäche ja immer von sich weist – bis es irgendwann nicht mehr anders geht, als sich die Wahrheit zuzugestehen.
Ich selber hatte in den letzten Monaten depressive Zustände, die ich zunächst als depressive Dellen abtat; bei mir geschah das aufgrund einer willkürlichen Versetzung in eine andere Abteilung, was ich glücklicherweise rückgängig machen konnte; indes, diese destruktive Maßnahme von Seiten meines Arbeitgebers ging mir an die Substanz und mein Vertrauen im Hinblick auf meine Vorgesetzten, soweit das nicht vorher schon der Fall war, ist irreparabel geschädigt und bei mir blieb das Gefühl, dass es hier nicht mehr besser wird, es sei denn ich finde eine Nische.
Aber noch mal: Wie ist es dazu gekommen?
Es ist eine Folge der jahrzehntelangen Drangsalierung durch neue Gebote, Verbote, Arbeitsverdichtung, immer neuen, noch unsozialeren Dienstplänen. Eine Unruhe, die immer größer wurde und die einen, umso älter man wird, auszehrt.
Alles Dinge, die man zunächst nicht für möglich gehalten hatte. Zunächst an den Leiharbeitern „ausgetestet“, sind wir dann irgendwann an der Reihe. Die Leiharbeiter sind immer die Vorstufe gewesen, das „Drohpotential“, was man heutzutage alles machen kann.
Ein Zustand allgemeiner Unruhe eben und ein Zustand des Mürbe-Machens.
Und ich selber habe insbesondere im Hinblick auf UPS, unserem Hauptkunden in der Fracht, den Eindruck, dass Unruhe und Drangsalierung der Mitarbeiter die Parameter sind nach denen die Manager dieser Tage agieren, insbesondere von UPS, dieses sektenwahnsinnige Unternehmens.
Dessen „Geschäftsordung“ hat man sich auch bei uns, der Flughafen GmbH, zum Vorbild genommen.
UPS macht Schule beim Zusammenscheißen seiner Mitarbeiter, was von unseren Neu-Managern, obschon (noch) nicht in dieser ruchlosen Form, zu einer Art Leitfaden geworden zu sein scheint.
UPS hat uns einen Katalog von Vorschriften vorgesetzt, dessen Sinn sich uns in Teilen nicht erschließt. Dieser Vorschriftenkatalog wechselt oft und ist so überbordend, dass er insgesamt zu einer Art „Doktorarbeit“ geworden ist. Zur Einhaltung werden immer mehr Mitarbeiter eingesetzt, so dass einen das Gefühl befällt, es ginge hier nicht um die Beladung von Frachtmaschinen, sondern um das Prinzip von Zucht und Ordnung. Die Kompliziertheit zusammen mit dem Überwachungscharakter erzeugen den meisten Stress. Wobei viele Vorgaben sich dem gesunden Menschenverstand nicht erschließen; fragt man darauf irgendwelche Verantwortliche, wird man in der Weise zurechtgestutzt, dass es nicht unsere Aufgabe sei, die Vorgaben zu hinterfragen.
An diesem Zustand nutzt man sich ab.
Letzten Endes, das spüren wir tagtäglich, ist dies ein Oben und Unten. Ein Machtkampf, bei dem die Hierarchie als Prinzip den Kern dieses Unternehmens bildet.
Dieses System basiert auf einer fortgesetzten Unruhe, die sich Stück um Stück an unseren Rechten abarbeitet und enorme Einschnitte unserer Lebensqualität bedeutet und – ich höre mich jetzt ein bisschen nach Verschwörungstheoretiker an – uns beherrschen will, oder wenigstens zeigen will, wer das Sagen hat und nicht auf Ausgleich aus ist. UPS mit seiner Arbeitsmentalität hat also wenigstens auch auf uns, also dem Flughafen Köln Bonn, abgefärbt. Das alte Modell, die Rheinische Arbeitskultur von Geben und Nehmen, ist zunichte gemacht worden.
Nur die Erinnerungen daran geben einem vielleicht Hoffnung darauf, dass es vielleicht mal anders kommen könnte. Und man fragt sich unwillkürlich, warum sich alles verschärft und teilweise unerträglich geworden ist, wo man älter und weniger Widerstandskraft besitzt?
All das hat mental seinen Niederschlag gefunden.
Nun ist es bei uns noch nicht ganz so schlimm.
Doch auch unser Management dreht unablässig an den Schrauben, was meist unter Flexibilisierung läuft, was aber, wie wir alle wissen, auf ein möglichst schlecht bezahltes Lohnarbeiter-Sklavenverhältnis hinausläuft; erste Versuche einer digitalen Erfassung unserer Arbeitsabläufe wurden vor einem halben Jahr bei den Fahrern gemacht, was nicht fortgesetzt wurde, weil wir in einem neuen Vertrag mit UPS nicht mehr selber abfahren.
Trotzdem: Die mentale Abstumpfung und Lustlosigkeit ist das größte Problem. Das Betriebsklima ist insgesamt in einem erschreckenden Ausmaß als schlecht, mutlos und ohne Freude zu bezeichnen; mehr noch als die Knochenmühle ist es dieses mentale Mürbemachen, das wir alle gleichermaßen empfinden. Immer neue Leute, die von außen kommen, werden uns immer wieder aufs Neue mit ihren ambitionierten Plänen vorgesetzt, bis auch diese durch neue ersetzt wurden. So läuft das nun schon seit einem Jahrzehnt und zurzeit ist der Eindruck, dass dem Bodenverkehr nun der Garaus gemacht werden soll, was aber ein offenes Geheimnis ist. Wir werden die letzten unserer Spezies sein. Der Bodenverkehr und wahrscheinlich auch andere Abteilungen am Flughafen sind hier eine Abwicklungssache.
Die Gegenwelt sieht man in unserer Flughafen-Postille „intern“, einer Art Folklore-Magazin von der schönen Welt am Flughafen mit bunten Bildern von glücklichen Angestellten und spannenden Geschichten einer insgesamt intakten Flughafenwelt. Stets erscheint auch in der „intern-Postille“ ein Editorial, in welchem die Mitarbeiter des Flughafens zunächst gelobt werden, aber- und das ist das wichtige Wort – dann doch wieder all die defizitären Abteilungen angesprochen werden; und es hat sich trotz all der Veränderungen und Einschnitte dann doch nichts geändert; dabei, und wahrscheinlich ist das auch ein wenig gewollt, bleibt doch der Eindruck übrig, dass wir nur noch eine subventionierte Spezies sind, die man zwar noch am Leben hält, weil man sich im sogenannten Kölner Modell unter anderem von Seiten der Geschäftsleitung dazu verpflichtet hat, aber es insgesamt eigentlich so nicht weitergehen kann.
Diese Litanei ist seit 10 Jahren zu vernehmen, also seit Dienstantritt unseres smarten Chefs Michael Garvens. Nun ja, man versucht also so alles von Seiten der Geschäftsleitung, aber man fühlt sich wie eine nutzlose, aussterbende Spezies.“
(Die in dem Text dargestellte Meinung spiegelt nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider.)