Fragen und Antworten zum Streik der Bodenverkehrsdienste an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld.
Mrz. 2017, NewsStand: 12. März 2017
Der Streik an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld bewegt nicht nur die Beschäftigten und Arbeitgeber, sondern auch die Passagiere und die Öffentlichkeit. Nach zwei Warnstreiken und einem Vollstreik am 10. März bewegen sich die Arbeitgeber immer noch nicht!
ver.di ruft daher für Montag, den 13. März 2017 erneut alle 2000 Beschäftigten der Berliner Bodenverkehrsdienste auf, aus Protest ihre Arbeit nieder zu legen.
Unten stellen wir Antworten auf die am häufigsten genannten Fragen zur Verfügung:
Die FAQs zum Streik gibt es auch hier
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Themenübersicht
1. Was sind eigentlich die Bodenverkehrsdienste?
2. Warum streiken die Bodenverkehrsdienste in Berlin?
3. Wie konnte es dazu kommen? Warum haben sich die Arbeitsbedingungen so stark verschlechtert?
4. Was für mögliche Folgen haben diese Arbeitsbedingungen für die Passagiere?
5. Mit wem führt ver.di die aktuellen Tarifverhandlungen?
6. Was fordern die in ver.di organisierten Beschäftigten genau?
7. Wie lautet die Position/das Angebot der Arbeitgeber?
8. Stimmt es, dass in Berlin in den Bodenverkehrsdiensten bundesweit bereits jetzt schon die höchsten Löhne gezahlt werden?
9. Warum finden sich aktuell an vielen anderen Flughäfen Lösungen bei Tarifverhandlungen, nur in Berlin eskaliert die Situation?
10. Kann die Politik da etwas tun?
11. Wie können weitere Streiktage verhindert werden?
12. Muss das Fliegen jetzt für alle unbezahlbar werden, wenn die Beschäftigten mehr verdienen?
13. Was haben die Berliner Tarifverhandlungen mit den Forderungen von ver.di nach einem bundesweiten Branchentarifvertrag zu tun?
1. Was sind eigentlich die Bodenverkehrsdienste?
Die Bodenverkehrsdienste (BVD) sind ein zentraler und sicherheitsrelevanter Teilprozess in der Wertschöpfungskette der Luftwirtschaft. Ihre Hauptaufgabe ist die sichere Gepäck- und Frachtver-ladung sowie der reibungslose Transport von Passagieren und Besatzung an den Verkehrsflughä-fen. In Berlin arbeiten ca. 2000 Beschäftigte in den BVD, sie kümmern sich um die Fluggast- und Gepäckabfertigung, die so genannten Vorfelddienste, die Reinigung, Stationswartung, die Enteisung der Flugzeuge, Flugbetriebs- und Besatzungsdienste und die Transporte am Boden.
Die Luftverkehrsbranche Deutschlands wächst und boomt seit über einem Jahrzehnt. Im Jahr 2016 verzeichneten die deutschen Verkehrsflughäfen über 220 Millionen Passagiere, 45 Millionen Passagiere mehr als vor10 Jahren (Zahlen: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) Das sind ca. 25 % mehr Passagiere, ohne dass sich die Beschäftigtenzahl dem angepasst hat.
Im Gegenteil: Das Passagieraufkommen in Berlin hat sich allein in den letzten Jahren um über 30 % erhöht, gleichzeitig sind aktuell aufgrund der schlechten Bezahlung und der unverantwort-baren Arbeitsbedingungen hunderte von Stellen in den Berliner BVDs unbesetzt.
2. Warum streiken die Bodenverkehrsdienste in Berlin?
Die Beschäftigten den Berliner BVDs laufen auf dem Zahnfleisch.
Seit dem der Flughafen in den 2000ern den BVD komplett ausgelagert und privatisiert hat, ver-dienen sie im Schnitt 25 % weniger und leisten für wenig Geld unter harten Bedingungen si-cherheitsrelevante Tätigkeiten. So verdienen die Beschäftigten in diesem sicherheitsrelevanten Be-reich im Schnitt rund 11 € in der Stunde.
Dafür müssen sie bei 40 Grad im Sommer und Eiseskälte im Winter auf dem Rollfeld schwerste Gepäckstücke im Akkord aus Urlaubsfliegern wuchten. Eine ver.di Umfrage ergab: Für 83 % der Beschäftigten ist die Arbeit in den Bodenverkehrsdiensten nicht existenzsichernd – eine Folge von niedrigen Löhnen, Befristungsquoten von bis zu 40 %, Leiharbeit sowie Arbeit auf Abruf. Viele Beschäftigte haben nicht die Möglichkeit in einer Vollzeitbeschäftigung zu arbeiten, sodass bei ei-ner Teilzeittätigkeit eine entsprechend geringere Bezahlung erfolgt. Aber auch eine Vollzeitbeschäf-tigung reicht nicht zum Leben.
Aus den fehlenden Qualifizierungsstandards resultiert eine hohe Fluktuation unter den Beschäftigten, in deren Folge neue Beschäftigte oft nicht ausreichend eingearbeitet oder weiterqualifiziert werden (84 % der Befragten merken dieses an).
„Mein Chef findet kaum noch qualifizierte Leute, die Geräte, die wir für den Betrieb auf dem Rollfeld reparieren, sind technisch viel komplexer geworden. Und finde mal einen guten Mechat-roniker für nicht viel mehr als 2000 € brutto im Monat.“ Bernd Hönig, Firma WISAG in der MoPo am 6.3.2017.
Hohe Belastung: Der akute Personalmangel und der hohe Arbeitsdruck führen dazu, dass nur 7 % der Befragten angeben, sie könnten bis zum Rentenalter ihre Beschäftigung ausüben.
Die Folge dieser Entwicklung ist alarmierend: 72 % der Befragten geben an, dass Sicherheits- und Qualitätsvorgaben aufgrund des Arbeitsdrucks und des Personalmangels nicht immer eingehalten werden können:https://verdi-airport.de/?p=465
3.Wie konnte es dazu kommen? Warum haben sich die Arbeitsbedingungen so stark verschlechtert?
Seit 1996 schreibt eine EU Richtlinie vor, dass alle Flughäfen mindestens einen weiteren Anbieter für Bodenverkehrsdienste zulassen müssen. Die Fluggesellschaften haben diese Öffnung der Märkte forciert, weil sie sich dadurch Kostenersparnisse im hart umkämpften internationalen Wettbewerb erhofft haben.
Allerdings ging diese Liberalisierung auf Kosten der Beschäftigten und der Qualität der Dienstleistungen. Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg war 2008 eine der ersten bundesweit, die die Bodenverkehrsdienste privatisierte, und zwar über die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl hinaus. Der gesamt Bodenverkehrsdienst wurde ausgegliedert und an private Dienstleister verkauft.
Dies wäre nicht nötig gewesen. So hat etwa die Politik am Flughafen Frankfurt lediglich einen weiteren Anbieter zugelassen, der Flughafen selber hat noch 80 % der Bodenverkehrsdienste in eigener Regie. Die Komplettliberalisierung führte zu einem gnadenlosen Konkurrenzkampf der mittlerweile 7 Unternehmen um die Verträge mit den Fluggesellschaften.
Diese drücken die Preise derart, dass der Anbieter mit den niedrigsten Personalkosten, dem knappsten Personal und den niedrigsten Qualifizierungskosten den Zuschlag der Fluggesellschaften erhält. Mit nicht verantwortbaren Folgen für die Beschäftigten und die Qualität der Dienstleistungen und Flugsicherheit. Um dieses Preisdumping einzudämmen hat ver.di im Jahr 2013 einen landesbezirklichen allgemein verbindlichen Tarifvertrag verhandelt, um den jetzt gestritten wird. Dieser Tarifvertrag sorgte dafür das Löhne von teilweise 6,80 € die damals noch möglich waren gestoppt wurden. Nun gilt es diesen Tarifvertrag weiter zu entwickeln.
4. Was für mögliche Folgen haben diese Arbeitsbedingungen für die Passagiere?
Der durch den Unterbietungswettbewerb ausgelöste Preisverfall der Dienstleistungen von bis zu 30 % an den Berliner Bodenverkehrsdiensten hat aus Sicht von ver.di zu einer nicht mehr verantwortbaren Entwertung der Tätigkeiten im BVD geführt. Das betrifft die Entlohnung, die Qualifikation sowie die Belastung der Beschäftigten mit möglichen Folgen für die Flugsicherheit.
72 % der Beschäftigten in den Bodenverkehrsdiensten geben an, dass Sicherheits- und Qualitätsvorgaben aufgrund des Arbeitsdrucks und des Personalmangels nicht immer eingehalten werden können (Ergebnisse der Umfrage unter https://verdi-airport.de/?p=465).
Verspätungen, im Flugzeug wartende Passagiere auf nicht vorhandene oder erst spät herangeschaffte Flugzeugtreppen sind vielen Reisenden an den Flughäfen Berlins vertraut. Dies ist ärgerlich, jedoch die weitaus harmlose Seite der aktuellen Arbeitsbedingungen.
„Der Arbeitsaufwand ist deutlich gestiegen, früher mussten wir höchstens acht Flugzeuge pro Tag abfertigen. Heute sind es öfter auch mal zwölf. Durch die Belastung steigt die Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern. Ich möchte ehrlich gesagt nicht verantwortlich sein, wenn eine voll besetzte Maschine über dem Kurt-Schumacher-Platz abstürzt, weil sie nicht korrekt beladen oder enteist wurde.“ Klaus Leßlauer, Beschäftigter der WISAG in der MoPo am 6. März 2017
Hintergrund dieser auf den ersten Blick drastischen Aussage ist: Bei Fehlbeladungen können Flugzeuge vom Himmel fallen wie ein Stein. Die Ursache ist falsch verteilte bzw. unzureichend fixierte Fracht, die ins Rutschen gerät. Schon geringe Gewichtsverlagerungen bedrohen die Flugsicherheit und Piloten müssen den Flug abbrechen und landen. Zuletzt gab es solche Vorfälle in Miami, Amsterdam und Afghanistan. Das Risiko für Fehlbeladungen steigt, wenn die Maschinen z.B. unter hohem Zeitdruck von Menschen beladen werden, die erst wenige Wochen und weit-gehend unqualifiziert ihren Job machen – oder grundlegende Sicherheitsbestimmungen bzw. Anweisungen nicht verstehen. Die Folgen für die „Luftsicherheit“ und den Ruf eines Flughafens sind gravierend, wenn der Pilot nach dem Start feststellt, dass z.B. eine einseitige Gewichtsverteilung im Frachtraum vorliegt.
Durch die hohe Arbeitsbelastung müssen die Kolleginnen und Kollegen immer wieder Abstriche in der Qualität machen, bspw. mit dem von Ihnen gewünschten Umgang Ihrer Gepäckstücke.
Häufige Befristungen und eine hohe Leiharbeitsquote sind weitere Sicherheitsrisiken, da ungeschulte Beschäftigte Tätigkeiten ausführen, für die sie nicht ausreichend qualifiziert sind.
Zudem gibt es an manchen Flughäfen sprachliche Barrieren. Beschäftigte machen die Sicherheitsschulungen (PK8 und Luftsicherheitsschulung) z.T. ohne den Inhalt der Schulungen zu verstehen, weil ihre Sprachkompetenz nicht ausreicht, nicht gefördert und auch nicht geprüft wird.
Nicht nur aus Berlin, sondern bundesweit berichten Beschäftigte ver.di daher immer wieder von Vorfällen wie:
– Ein ungelernter Mitarbeiter winkt ein Flugzeug ein und gab an die Crew falsche Signale, dass brachte die Beschäftigten in Gefahr.
– An vielen Standorten müssen RampAgents oft zwischen zwei Flugzeugen hin und her rennen, um die Abläufe zu überblicken. Sicherheitschecks bleiben dadurch oft auf der Strecke.
– Ungeschulte Beschäftigte gehen oft an das Flugzeug ran, wenn die Triebwerke noch laufen.
– Beschäftigte auf dem Vorfeld können z.T. Warnungen von Kolleg/innen sprachlich nicht verstehen, weil sie eingestellt wurden, ohne dass ihnen vorher die notwendigen Sprachkenntnisse vermittelt wurden.
– Die Luftsicherheitsschulung wird z.T. von Muttersprachlern an Beschäftigte mit fehlender Sprachkompetenz in Deutsch für 50 € verkauft
– Schäden an den Flugzeugen, welche durch hastiges Arbeiten unter Zeitdruck entstehen, werden oft nicht gemeldet, auch aus Angst vor disziplinarischen Maßnahmen.
– Geöffnete Flugzeugklappen werden erst bemerkt, wenn das Flugzeug schon auf dem Rollfeld steht.
– Mitarbeiter/-innen, die das Bewusstsein verlieren, weil die Klima- und Belüftungsanlagen nicht funktionieren sind keine Seltenheit.
– Geräte, die defekt sind und/oder veraltet sind, gehören bei den meisten Flughäfen zum beklagenswerten Standard. So berichten Beschäftigte von einer zusammenfallenden Fluggasttreppe während des Boardings, weil das Ventil kaputt war.
– An einigen Flughäfen gibt es nicht ausreichend Stellfläche für die ordentliche Unterbringung der Geräte. Deshalb bleiben sie bei jedem Wetter draußen, rosten schnell und funktionieren z.T. nur noch schlecht. Trotzdem wird das Gerät weiter benutzt.
5. Mit wem führt ver.di die aktuellen Tarifverhandlungen?
ver.di verhandelt mit dem Arbeitgeberverband für den BVD an den Flughäfen Tegel und Schönefeld für rund 2000 Beschäftigte der Bodenverkehrsdienste.
Das sind die Unternehmen:
– WISAG Unternehmen (AGSB, WAWS, WCS, WRS, WPaS, WTS, Aviation Solution (ehe-mals Globe Ground Berlin)
– Aeroground Berlin GmbH (Tochter des Flughafens München)
– Swissport Berlin GmbH
– Ground Solution Berlin GmbH incl. Tochterunternehmen
– Airlink Passage Service Berlin GmbH & Co. KG
– AHS Berlin Aviation Handling Services GmbH
6. Was fordern die in ver.di organisierten Beschäftigten genau?
– Erhöhung der Tarifgehälter um 1 € je Stunde für jede EG
– Laufzeit des neuen VTV von 12 Monaten
– Erweiterung der Gehaltstabellen um Erfahrungsstufen
– Entkopplung von System- und Permitvoraussetzung für die Entgeltstufen
– Bezahlung von höherwertigen Tätigkeiten ab dem ersten Tag
– Je ½ Gehalt Urlaubs- und Weihnachtsgeld
7. Wie lautet die Position/das Angebot der Arbeitgeber?
Nach Vorstellungen der Arbeitgeber soll innerhalb von drei Jahren eine Volumensteigerung von 8 % zur Verfügung stehen, wovon allerdings nicht nur Einkommenssteigerungen, sondern auch Verbesserungen im Tarifvertrag finanziert werden müssten. ver.di geht davon aus, dass bei diesem Angebot die durchschnittlichen Stundenlöhne in der niedrigsten Vergütungsgruppe um rund 0,27 € jährlich steigen. Ein für die betroffenen Unternehmen typischer Teilzeitbeschäftigter, der 130 Stunden monatlich arbeitet, würde somit im Jahr 2017 monatlich nur rund 35 € brutto mehr erhalten. Bei Vollzeitbeschäftigung würde die Steigerung 43 € brutto betragen.
Gar nicht gehen die Arbeitgeber bisher auf den Punkt ein, wie die Arbeit wieder attraktiver gestaltet werden kann, um die dreistellige Zahl an unbesetzten Arbeitsplätzen aufzufüllen. Über das Jahr 2016 waren zahlreiche Stellen unbesetzt und die Kolleginnen und Kollegen deutlich überlastet. Alleine in einem der zahlreichen WISAG Unternehmen ignorierte die Geschäftsführung mehr als 300 Überlastungsanzeigen der Kolleginnen und Kollegen. Maßnahmen wurden nicht ergriffen.
8. Stimmt es, dass in Berlin in den Bodenverkehrsdiensten bundesweit bereits jetzt schon die höchsten Löhne gezahlt werden?
Das Gegenteil ist der Fall. Seit der Privatisierung und der Ausgliederung der BVDs durch die Flughäfen Berlins unter Bürgermeister Wowereit und Flughafenchef Schwarz haben die Beschäftigten ca. 30 % ihres Einkommens verloren. Beschäftigte in den Bodenverkehrsdiensten des Flughafens Frankfurt verdienen bis zu 2 € mehr die Stunde für die gleichen Tätigkeiten.
Das niedrigste im Tarifvertrag vereinbarte Einstiegsgehalt in Berlin Brandenburg liegt aktuell bei 9,30 € die Stunde.
9. Warum finden sich aktuell an vielen anderen Flughäfen Lösungen bei Tarifverhandlungen, nur in Berlin eskaliert die Situation?
Diese Frage ist berechtigt. Die WISAG, die sich aktuell in Berlin weigert, ein akzeptables Ange-bot vorzulegen, hat am 31. Januar 2017 in Köln und Hamburg mit ver.di einen neuen Tarifvertrag vereinbart, der Gehaltssteigerungen innerhalb von drei Jahren von 15,5 % bis 17,5 % vor-sieht. Die AHS, die in Berlin ebenfalls sehr vehement gegen Gehaltserhöhungen diskutiert, erhöht die Gehälter in Köln und Düsseldorf ebenfalls per Tarifvertrag mit ver.di über drei Jahre zwi-schen 14 %,19 % bis zu 21 %. Mit den Bodenverkehrsdienstunternehmen des Flughafens Hamburg hat ver.di am 28. Februar 2017 über zwei Jahre Gehaltssteigerungen zwischen 8 %-18 % vereinbart (siehe www.verdi-airport.de)
10. Kann die Politik da etwas tun?
Tarifverhandlungen sind Sache der Tarifparteien (d. h. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden) und niemand darf sich einmischen (Tarifautonomie). Auch die Politik nicht, so steht es im Grundgesetz. Dennoch gibt es Möglichkeiten, dass die Politik eingreift, um unzumutbare Zustände wie an den Berliner Flughäfen wieder zu ordnen.
ver.di sagt, da es die Aufgabe der Politik ist, dafür zu sorgen, dass der Luftverkehrsstandort Deutschland leistungsfähig und international wettbewerbsfähig bleibt, gehört es auch dazu, dass die politisch Verantwortlichen sich um einen reibungslosen und sicheren Luftverkehr kümmern. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass viele Flughäfen anteilig den Ländern und Städten gehören und viele politischen Vertreter dort in den Aufsichtsgremien sitzen.
Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH gehört 37 % dem Land Berlin, 37 % dem Land Brandenburg und 26 % dem Bund.
Ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen wie der Flughafen Berlin, das zu 100 % der Allgemein-heit gehört, trägt eine besondere soziale Verantwortung, besonders als Arbeitgeber. Es muss sich auf seine Vorbildfunktion als Arbeitgeber besinnen und darf sich dieser Aufgabe nicht durch Ausgliederung und Gründung von Tochtergesellschaften entziehen.
Dies ist jedoch durch die Komplettausgründung der vormals in Flughafenhand befindlichen Bodenverkehrsdienste geschehen. Hier hat die öffentliche Hand über 2.000 Beschäftigte in die Prekarität entlassen. Die aus ver.di und Beschäftigtensicht unnötige, den Wettbewerbsdruck noch befeuernde Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr, auf Antrag der Berliner Politik und des Flughafens im Jahre 2016 noch einen dritten Marktteilnehmer zu lassen, obwohl die gesetzliche Verordnung (BADV, siehe unten) dies nicht vorschreibt, verschärft die oben geschilderten unverantwortbaren Zustände der BVD an den Berliner Flughäfen zusätzlich.
Der Berliner Flughafen könnte zum Beispiel die so genannte Eigenabfertigung wieder aufnehmen. Und damit existenzsichernde Löhne, gesundheitserhaltende Arbeitsbedingungen und die Flugsicherheit und Qualität der Bodenverkehrsdienstleistungen wieder in die eigene Hand nehmen.
Das schreibt auch Frederik Bombosch in der Berliner Zeitung am 3. März 2017:
„Derzeit beauftragen die Fluggesellschaften die Bodendienstleister, aber auch die Flughafengesell-schaften könnten diese Aufgabe übernehmen- und dann bei den Ausschreibungen Sozialstandards festlegen“
Der Berliner Flughafen sollten sich außerdem für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen in den von ihm beauftragten BVD-Unternehmen stark machen, indem er zum Beispiel, zusammen mit dem Luftfahrtsamt und dem Gewerbeamt überprüft, ob geltende Sicherheits- und Arbeitsschutzgesetze kontrolliert und eingehalten werden. Die BAVD (Verordnung über Bodenabfertigungsdienste an Flugplätzen) zum Beispiel schreibt vor, dass nur diejenigen privaten Dienstleister eine Tätigkeitserlaubnis haben dürfen, welche die Sicherheitsanforderungen einhalten und als „zuverlässig“ gelten. Diese sind aufgrund von Personal- und Qualifikationsmangel jedoch an vielen Stellen nicht mehr einhaltbar.
Eine Überprüfung der eigenen Gesetze durch die zuständigen Behörden und des Flughafens ist dringend erforderlich!
Besagte Bodenabfertigungsverordnung (BADV) schreibt die Anzahl an Marktteilnehmern an jedem deutschen Verkehrsflughafen vor. In Berlin hat das BVD Unternehmen mit dem größten Marktanteil, die WISAG aus einer Lizenz acht Unternehmen gemacht, die sich teilweise gegenseitig Konkurrenz machen. Damit wird aus ver.di Sicht der Wille des Gesetzgebers (hier die EU Kommission und die Bundesregierung), den Markt begrenzen zu können, auf unverantwortliche Weise umgangen. Auch hier ist die Bundes—und Landespolitik direkt in der Mitverantwortung für die sich zuspitzende Situation der Sicherheits-, Arbeits- und Qualitätsstandards am
Berliner Flughafen.
11. Wie können weitere Streiktage verhindert werden?
Der Streik kann nur verhindert werden, wenn die Arbeitgeber sich mit ihrem Angebot an den Forderungen der Beschäftigten orientieren. Das bisherige Angebot baut keine Brücken für eine Lösung sondern zieht aktuell eher eine Wand ein. Die Geschäftsführungen müssen vernünftige Abfertigungspreise gegenüber den Airlines durchsetzen.
Jede Airline, die unsere Flughäfen anfliegen will, muss auch dafür entsprechend zahlen. Bodenverkehrsdienstleistungen sind kein Ramschprodukte, sondern hochwertige, sicherheitsrelevante und ganzheitliche Dienstleistungen. Sie werden unter schwierigsten Herausforderungen und Bedingungen erbracht.
12. Muss das Fliegen jetzt für alle unbezahlbar werden, wenn die Beschäftigten mehr verdienen?
Das Thema Billigflieger ist momentan in aller Munde. Jens Koenen schreibt im Handelsblatt zu den Folgen des damit ausgelösten Preisdrucks auf die Arbeitsbedingungen am 2. März 2017:
„Wollen wir als Verbraucher das wirklich? Wollen wir als starke Volkswirtschaft in einer kritischen Infrastrukturbranche eine wachsende Zahl von Menschen beschäftigen, die von ihrem Einkommen allein vielleicht nicht mehr leben können? Fliegen ist eine äußert komplexe Wertschöpfungskette, an der unzählige Firmen beteiligt sind. Diese Dienstleistung sollte uns daher auch etwas wert sein.“
Die Kosten der Bodenverkehrsdienste an einem Airline-Ticket machen durchschnittlich 10 % aus. Der Lohnanteil des BVD liegt bei einem 100 € Ticket gerade einmal bei 0,88€. Eine Gehaltserhöhung von etwa 15 % (das sind 1 € mehr die Stunde) würde nur 1,50 € mehr pro Ticket kosten. Das sollte uns sicheres Fliegen Wert sein.
13. Was haben die Berliner Tarifverhandlungen mit den Forderungen von ver.di nach einem bundesweiten Branchentarifvertrag zu tun?
An allen deutschen Flughäfen leiden die Beschäftigten in den Bodenverkehrsdiensten unter
– mangelnder Existenzsicherung,
– mangelnder Standards bei der Qualifikation sowie
– gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen
– mit drohenden Auswirkungen auf die Sicherheit der Luftverkehrsbranche insgesamt.
Die aktuellen Tarifverhandlungen an den Berliner Bodenverkehrsdiensten sowie an weiteren 6 Flughäfen deutschlandweit (www.verdi-airport.de) für dringend notwendige, existenzsichernden Gehaltserhöhungen sind ein erster Schritt, Druck aus dem Kessel zu lassen.
Langfristig fordert ver.di alle Unternehmen zum Abschluss eines Branchentarifvertrages auf, um so die Arbeitsbedingungen dem Preisdruck zu entziehen und die Branche für die Zukunft abzusichern.
Der Preisdruck auf die Fluggesellschaften darf in Zukunft keine Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und damit auf die Sicherheit im Fliegen haben.
Ziel des Branchentarifvertrages ist es, zugleich eine hohe Qualität der Dienstleistungen, auskömmliche Gehälter, gemeinsame Qualifikationsstandards und gesundheitserhaltende Arbeitsbedingungen zu garantieren. Nur so können Sicherheitsstandards für Passagiere und Beschäftigte eingehalten werden, dem demografischen Wandel in den Bodenverkehrsdiensten Rechnung getragen sowie zu-künftige Dauerkonflikte in dieser Branche vermieden werden. Am 26. Januar 2017 haben Delegierte aus nahezu allen BVD Unternehmen die Arbeitgeber zu Verhandlungen für einen Branchentarifvertrag in einem offenen Brief aufgefordert: https://verdi-airport.de/?p=605