Hohe Verantwortung, schlecht bezahlt
Feb. 2017, NewsWarnstreiks bei den Bodenverkehrsdiensten in Berlin, Hamburg und Stuttgart
Hohe Verantwortung, schlecht bezahlt
8. Februar 2017 – Fluggäste müssen sich am heutigen Mittwoch auf Einschränkungen einstellen. ver.di hat die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienstleister an den Flughäfen in Stuttgart und Hamburg sowie an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld zu Warnstreiks aufgerufen. Sie fertigen Fluggäste und Gepäck ab, kümmern sich um Reinigung und Flugzeugservice, tanken die Maschinen auf, erledigen Vorfelddienste und tragen damit ein großes Stück der Verantwortung dafür, dass Fliegen in Deutschland sicher bleibt.
Doch das scheint den jeweiligen Arbeitgebern nicht viel Wert zu sein. In den bereits seit Monaten andauernden Haustarifverhandlungen hat der in Berlin zuständige Allgemeine Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg noch kein Angebot vorgelegt, die Angebote der Stuttgart Ground Services und der arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg waren für ver.di nicht akzeptabel. Neben den genannten Standorten verhandelt ver.di auch in Leipzig/Halle, Dresden, Köln, Frankfurt und Düsseldorf mit den jeweiligen Arbeitgebern über Haustarifverträge. Erstmals finden die Verhandlungen koordiniert im Rahmen der ver.di-Initiative „Damit fliegen sicher bleibt“ statt. Gefordert werden Tariferhöhungen um ein bis zwei Euro pro Stunde sowie die Einführung neuer Gehaltsgruppen.
9,02 Euro pro Stunde zum Einstieg
In Hamburg arbeiten insgesamt rund 850 Beschäftigte bei den drei Töchtern der Bodenverkehrsdienste der Hamburger Flughafen GmbH. Ihr Einstiegslohn liegt derzeit bei 9,02 Euro, 2004 waren es immerhin noch 9,10 Euro. Neugeingestellte bekommen häufig einen Teilzeitvertrag, so dass sie ihr geringes Einkommen oft noch aufstocken müssen. Dabei ist der Flughafen noch zu 51 Prozent in öffentlicher Hand, sie gehören der Stadt Hamburg.
Seit die EU in den 1990er Jahren die Branche liberalisiert hat, haben prekäre Arbeitsbedingungen an den Flughäfen zugenommen. In Stuttgart sind zirka 40 Prozent der 300 Beschäftigten der SGS befristet eingestellt, hier liegt der Einstiegslohn bei 9,20 Euro. In Berlin gibt es bereits einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der für alle 2010 Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste an den Berliner Flughäfen gilt. Hier liegt der Einstiegslohn bei 10,30 Euro. Allerdings sind viele Verträge auf 90 bis 140 Stunden im Monat ausgelegt, Vollzeit wären es 163. Zwar können die Beschäftigten mehr arbeiten, falls mehr Arbeit anfällt, die Bezahlung bei Urlaub oder Krankheit richtet sich aber nach der vereinbarten Arbeitszeit.
Harte und sicherheitsrelevante Arbeit
„Die Beschäftigten in den Bodenverkehrsdiensten leisten täglich harte und sicherheitsrelevante Arbeit im Schichtdienst“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle und verweist auf das risikoreiche Umfeld und den hohen Zeitdruck. Dennoch werde diese Arbeit nicht angemessen entlohnt. „Beim Gehalt und bei den Arbeitsbedingungen muss stark nachgebessert werden“, so die Gewerkschafterin. Rund 220 Millionen Passagiere sind 2016 von deutschen Flughäfen aus geflogen. Das sind rund 45 Millionen mehr als noch zehn Jahre zuvor. Nur ein Teil davon konnte über eine gestiegene Produktivität aufgefangen werden. Bei einer ver.di-Umfrage gingen nur sieben Prozent der Befragten davon aus, dass sie ihre Beschäftigung bis zum Rentenalter ausüben können.
„Wir wissen, dass die Flughäfen und privaten Anbieter von Bodenverkehrsdienstleistungen unter diesem enormen Preisdruck der Fluggesellschaften stehen“, sagt Christine Behle. Deswegen will ver.di mittelfristig einen für alle verbindlichen Branchentarifvertrag durchsetzen, um die Arbeitsbedingungen dem Preisdruck zu entziehen und die Branche abzusichern.
Kein Preiskampf auf dem Rücken der Beschäftigten
Zu entsprechenden Verhandlungen hat ver.di alle Unternehmen der Branche aufgefordert, damit der Preiskampf nicht weiter auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird und damit fliegen sicher bleibt. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände hat inzwischen signalisiert, dass die bereit ist, in einen konstruktiven Dialog über einen Branchentarifvertrag für die Bodenverkehrsdienste zu treten.