Aufstand der Stieftochter: Streikende wenden sich an politisch Verantwortliche für Armutslöhne bei der SGS.
Mrz 2017, Stuttgart: SGSBesuch bei Ministerpräsident Kretschmann und Oberbürgermeister Kuhn.
Heute haben die Kolleginnen und Kollegen der SGS gestreikt! Über 90% der Belegschaft hat die Arbeit niedergelegt, um im Rathaus von Stuttgart dem Oberbürgermeister Kuhn sowie vor dem Staatsministerium Ministerpräsident Kretschmann folgenden offenen Brief zu übergeben:
Stuttgart, 3. März 2017
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn,
Ihre vernachlässigte Stieftochter meldet sich bei Ihnen. Die SGS GmbH ist am Flughafen Stuttgart für die Passagierabfertigung, das Check in und das Boarding, zuständig. Die Firma beschäftigt ca. 300 Menschen und gehört etwa hälftig dem Flughafen Stuttgart (FSG) sowie der AHS – einem Konzern, an dem der Flughafen ebenfalls Anteile hält. Auf diese Weise ist die SGS zu 55 Prozent Ihre Tochter: ein Unternehmen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart.
Als ihre Stieftochter sind wir jedoch kein Sorgenkind sondern eine Goldmarie. Allein in den vergangenen drei Jahren hat die SGS insgesamt 4,4 Mio € Gewinn gemacht – jedes Jahr 400.000 € mehr als im Jahr zuvor. Und dieses „Gold“ geben Sie ohne Scheu wieder aus.
Aber wie in den grausamsten Märchen wird die Stieftochter von Ihnen vernachlässigt. Das bekommen wir Beschäftigten der SGS zu spüren:
– Unsere Arbeit ist anspruchsvoll: wir beherrschen zahlreiche Buchungs- und Abfertigungssoftware, mind. eine und oft mehrere Fremdsprachen – und wir verlieren auch bei den unfreundlichsten, ungeduldigsten und unverständigsten Passagieren nicht unseren Humor.
– Unsere Arbeit ist prekär: wir arbeiten in täglich wechselnden kurzen und langen Schichten. Wir beginnen ab 03:30 Uhr morgens, wenn man ohne eigenen PKW gar nicht zum Flughafen kommt – und wenn ein Flug abends nicht mehr geht, dauert die Spätschicht auch mal die ganze Nacht.
-Viele von uns sind unfreiwillig in Teilzeit beschäftigt, dazu oft noch befristet – erstmalig oder auch erneut.
Unsere Arbeit ist schlecht bezahlt: Viele von uns erhalten kaum mehr als den Mindestlohn. Das reicht im Großraum Stuttgart nicht zum Leben.
Nicht wenige unter uns leben noch zu Hause, weil wir uns keine eigene Wohnung leisten können – oder haben, trotz Vollzeit- einen zweiten Job, um Miete und Kfz-Steuer zu finanzieren.
Dieser Tage kämpfen wir um existenzsichernde Löhne. Die Geschäftsführung der SGS bietet nur ein paar dünne Groschen und versteckt sich hinter dem Budget, das die Anteilseigner, also Sie, Herr Kretschmann, Herr Kuhn, vorgeben.
Währenddessen entlohnt unsere Mutter, der Flughafen Stuttgart (FSG), ihre Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes – und damit bis zu 30 % besser. Was die FSG für uns tut, ist vor allem: Unterstützung des Arbeitgebers beim Streikbruch, obwohl in diesem Zusammenhang die gesetzlich garantierten Rechte der betroffenen Betriebsräte vielfach missachtet werden.
Wir wollen nicht mehr Stieftochter sein.
Lassen wir die Märchenwelt hinter uns.
Am Mittwoch, dem 08.03., verhandeln wir wieder.
Sie sitzen dabei wieder mit am Tisch. Sorgen Sie dafür, dass ein gutes Angebot darauf liegt.
Ihre Beschäftigten der SGS!
Wir wollen nicht mehr Stieftochter sein.
Lassen wir die Märchenwelt hinter uns. Am Mittwoch, dem 08.03., verhandeln wir wieder. Sie sitzen dabei wieder mit am Tisch. Sorgen Sie dafür, dass ein gutes Angebot darauf liegt.
Ihre Beschäftigten der SGS!